Das Laboralbum
Bei dem überlieferten Aquarellalbum aus dem Archiv der Familie Weissenhofer, das zu Restaurierungs- und Ausstellungszwecken aufgetrennt wurde, sodass nun die einzelnen Blätter gesondert betrachten werden können, handelt es sich um ein Konvolut, das augenscheinlich von unterschiedlichen Zeichnerhänden stammt.
Während der heutige Betrachter die sorgfältig getuschten Zeichnungen auch angesichts der zum Teil überholt erscheinenden Wissenschaftsauffassung eher unter einem rein ästhetischen oder kurios kulturgeschichtlichen Aspekt betrachtet, müssen wir uns vor Augen halten, dass die Forscher mit Hilfe dieser Blätter präzise Versuchsanordnungen vorbereitet, Gedanken zum inneren Zusammenhalt von sichtbarer und unsichtbarer Welt reflektiert sowie bereits durchgeführte Experimente und deren Ergebnisse dokumentiert haben.
Daneben berichten die Wissenschaftler auch von den erfolgreichen wie den gescheiterten Unternehmungen ihrer Vorväter, sodass dieses Album als aufschlussreiche Chronik einer Forscherfamilie betrachtet werden kann.
Zum Rüstzeug früherer Wissenschaftlergenerationen, wie es sich in prominenter Weise etwa bei dem Forschungsreisenden Alexander von Humboldt oder dem dilettierenden Natur- und Farbforscher Goethe dokumentiert, gehörten auch mehr oder weniger solide Kenntnisse der Grundzüge der Zeichenkunst.
Die hier erhaltenen Blätter weisen die Forscher als genaue Beobachter aus, die äußerlich Gesehenes und innerlich Geschautes in gleicher Präzision und Wahrhaftigkeit umzusetzen vermögen.
Wildes Denken führt mitunter auch zu einem anarchischen Umgang mit Sprachkonventionen. Der besseren Verständlichkeit halber wurde für die Drucklegung die Sprache der schriftlichen Aufzeichnungen behutsam aktualisiert und die Orthographie korrigiert.
Das Labor – Die Welt
Das Labor ist der Ort der Welterforschung. Hier gehen wir den Phänomenen der sichtbaren Welt auf den Grund und scheuen uns nicht vor den bislang wohlbehüteten Geheimnissen hinter den Dingen. In diesem Album, das für spätere Generationen bestimmt ist, die hoffentlich, im Unterschied zu unseren Zeitgenossen, mehr Verständnis aufbringen werden, wollen wir, ich, Adalbert Weissenhofer, und meine Brüder, unsere Versuche und Überlegungen getreulich aufzeichnen.
Fig.1:
Im Rumpf des wahren Künstlers verbirgt sich ein Maler, der die inneren Bilder erschafft, die der Künstler in Phasen plötzlicher Hellsichtigkeit ans Tageslicht holt. Durch eine Sektion am lebendigen Leibe wollen wir den inneren Maler ausfindig machen.
Fig. 2:
Der Knochenmann studiert ein leeres Buch – tabula rasa.
Fig. 3:
Ein hölzerner Kasten: Im Inneren leuchtet eine Kerze hinter einer auf dem Kopf stehenden bemalten Glasscheibe und wirft vermittels eines Lichtstrahls das Bild durch ein mit einer Linse versehenes Rohr an die Wand. Vorsicht, das Antlitz des Widersachers kann erscheinen. Die Schriften des Jesuiten Athanasius Kircher lehren uns Demut vor den Gesetzen der Optik.
Fig. 4:
Mein Bruder Ruedi experimentiert schon seit geraumer Zeit mit den Energien des Mesmerismus. Die magnetischen Felder wollen wir nutzbar machen für die Linderung seelischer Leiden und die Verständigung mit den Vorfahren.
Fig. 5:
Die gute Marie Weissenhofer, geborene Lang, wurde zu Versuchsszwecken von ihrem Gemahl Fritz in einen bewusstseinslosen Schlaf versetzt, in eine gläserne Röhre gelegt und mit elektrischen Stromstößen traktiert. Danach war sie wie verwandelt und selbst ihre eigenen Kinder erkannten sie nicht wieder.
Fig. 6:
Ein Modell des Weissenhofs schwimmt im unteren Glaskolben, während im zweiten, darüber liegenden Kolben ein heftiger Blitzschlag Energien freisetzt.
Flugmodelle
Die Fledermaus liefert uns das Modell für die Verwirklichung des Traums vom Fliegen. Nun gilt es, das Vorbild der Natur in ein praktikables mechanisches Modell umzusetzen.
Fig.1 | Ich, Eusebius Weissenhofer, entwickelte diese mechanische Hand nachdem ich bei Experimenten mit Schwarzpulver meine natürliche rechte Hand verlor.
Fig. 2 | Für meine Frau Amalie Josepha baute ich einen Flugapparat nach dem Vorbild einer Fledermaus, deren Anatomie ich erforschte und in ein mechanisch-thermisches Modell übersetzte. Amalie bestieg den Apparat nachdem unser treuer Hund Harras einen Flugversuch mit einem kleineren Modell überlebt hatte.
Fig. 3 | Die Flügelhaube der Hl.Maria Magdalena inspirierte mich zu weiteren Versuchen mit wallenden Flughauben, die mit starken Gurten am Kopf befestigt werden. Die Wirkung ist nach den Aussagen der Testpersonen und nach meiner eigenen Erfahrung wie ein inneres Abheben. Als Nebenwirkungen werden zuweilen Nackenschmerzen konstatiert.
Fig. 4 | Die besagte Fledermaus europäischen Ursprungs ist hier getreulich abgezeichnet.
Fig. 5 | Aus gebogenen, leichten Hölzern lässt sich bei genauer Kenntnis der Gesetze des thermischen Auftriebs ein Modell entwickeln, das durch einen an einer rotierenden Schraube montierten Propeller getrieben wird. Die theoretischen Überlegungen harren noch einer Umsetzung in die Praxis.
Mesmerismus
Die magnetischen Kräfte und ihre Auswirkungen auf den menschlichen Geist und das Bewusstsein bestimmen unsere Versuche auf dem Gebiet des Mesmerismus. Eine geschickte Anwendung kann zur Beeinflussung und Heilung seelischer Störungen beitragen. Grundlage der Experimente mit den Wirkungen des Magnetismus auf unser Bewusstsein ist zunächst die Untersuchung des menschlichen Gehirns, in dem wir die schon bei Hippokrates beschriebenen Bewusstseinskugeln zu entdecken hoffen, die je nach ihrer Färbung und Verteilung in den unterschiedlichen Hirnregionen andersartige seelische Stimmungen hervorzurufen scheinen. Die Destillation dieser durch Sektion gewonnenen Bewusstseinskugeln wird es uns erlauben, verschiedenfarbige Flüssigkeiten zu extrahieren, die in weiteren Versuchen zum Einsatz kommen sollen. Die Einnahme der Flüssigkeiten verspricht in Kombination mit einem starken Magnetfeld bisher ungeahnte Wirkungen. In einem zweiten, davon unabhängigen Experiment, konnten wir bereits zeigen, dass allein die bewusste Konzentration auf einen im Nachbarraum befindlichen Magneten der Testperson geistige Kräfte verleiht, die einen mit Gas befüllten und mit Kohlefäden präparierten Glaskolben zum Leuchten bringen können. Der Versuch gelang bisher jedoch nur mit spirituell besonders begabten Individuen.
Die Fliege
Ein zweites Objekt, das wir zur Erforschung der Gesetze des natürlichen Fluges analysieren wollen, ist die gemeine Stubenfliege. Um Exemplare zu züchten, die durch ihre Körpergröße und Stärke in der Lage sind, erwachsene Menschen in die Lüfte zu tragen, soll das Wachstum der Fliegenlarven künstlich angeregt und verstärkt werden. Den Larven, die auf fauligen Äpfeln gedeihen, wird radioaktiver Rinderurin injiziert, dem weitere Zutaten hinzugefügt werden, die hier jedoch nicht genannt werden können. Eine Fliege, die durch eine Unachtsamkeit dem sorgfältig abgesperrten Glaskubus entkam, erschreckte den kleinen Joseph W. nicht schlecht.
Die Metamorphose der Wurst
Mit Hilfe von gezielten elektrischen Impulsen und starken Lichtfrequenzen scheint es möglich zu sein, lebendige Wesen bei gleichzeitigem Bestehen ihrer äußeren Hülle innerlich so zu verändern, dass ihr ganzes Wesen, die Gefühlswelt und das individuelle Verhalten sich umkehren. Die manipulierten Kreaturen, ob Tier oder Mensch, ähneln Automaten, deren Aktionen allein dem Willen derauf sie Einfluss nehmenden geistigen Macht gehorchen. In einem Laborversuch gelangen uns erstaunliche Erfolge mit einer Wurst, die jedoch durch die zugleich feststellbare Wärmeentwicklung bald verbrühte. Weitere Versuche an Tier und Mensch werden wohl erst nach der erfolgreichen Entwicklung eines geeigneten Kühlmittels erfolgen können.
Die Sektion
Die im Kollegium von Fachleuten vorgenommene Sektion bildet die Grundlage aller ernsthaften Beschäftigungen mit dem menschlichen Körper und der Heilkunst im Allgemeinen. Dazu werden speziell entwickelte Instrumente verwendet, doch auch gewöhnliche Haushaltsgegenstände können bei fachgerechter Benutzung gewinnbringend eingesetzt werden. Hernach gilt es, besonders interessante Organe und Gewebeteile zu präparieren und zu konservieren, um sie für die Wissenschaft zu erhalten, damit sie auchkommenden Generationen als Anschauungsmaterial in der Ausbildung dienen können. Einige besonders kuriose Präparate befinden sich in der anatomischen Sammlung der Familie Weissenhofer. Die Wissenschaft ist kopf- und ratlos angesichts von Organen, die man in dieser Form und Größe bisher nicht sah und deren Funktion nicht einwandfrei nachgewiesen werden konnte.
Die Erleuchteten – Basispatent Nummer 223898
Die Forschungen unseres verstorbenen Großonkels, die eigentlich nicht hierher gehören, möchte ich dennoch aufzeichnen und dadurch der Nachwelt übermitteln. Erwin Thomas Alva Weissenhofer, der wissenschaftliche Tausendsassa der Familie, baute gegen Ende des letzten Jahrhunderts nicht nur eine mechanische Puppe, die reden und rechnen konnte und auch sonst vielseitig einsetzbar war (Der Kunstmaler Oskar K. bestellte nach dem Tod seiner Geliebten Alma M. diese lebensgroße Puppe bei E.T.A. Weissenhofer). Nein, er entwickelte auch ein Windrad, das den Weissenhof schon früh mit elektrischem Strom versorgt hätte, wenn es nicht zu einem Kabelbrand gekommen wäre, dem zum Glück nur der Experimentierschuppen zum Opfer fiel. Seine Nachbarn versetzte Erwin bei Feierlichkeiten gerne in Erstaunen, indem er seinen Körper elektrostatisch auflud und dann mit der bloßen Hand Glühkolbenzum Leuchten brachte. Beim Eriswiler Patentamt ließ er für diesen nützlichen Trick das Basispatent Nummer 223898 eintragen. In der legendären Sitzung vom 13. November des Jahres 1809 erschienen bei einer solchen Vorführung die Gesichter dreier bisher unbekannter Personen und das Zeichen "W" in den Glaskolben. Daraufhin brach er für immer seine Experimente ab und verschrieb sich ganz dem Gartenbau und dem Verfassen schwärmerisch-religiöser Lehrgedichte.
Der Traumprojektor
Immer nur diese Plackerei und Eintönigkeit. Tagein, tagaus die ewig gleiche, mühevolle Routine: auf dem Feld arbeiten, das Viehversorgen sowie Löffelschnitzen und Uhrenschilder bemalen während der langen Wintermonate. Die Wörter Zerstreuung oder Unterhaltung waren den Weissenhofern seit jeher unbekannt.
Dem wollte Thomas Weissenhofer endlich abhelfen, der sich viel darauf zugute hielt, es bis zum Hauptmann in der eidgenössischen Armee gebracht und dadurch auch schon etwas anderes als den Weissenhof gesehen zu haben. Er trug diese Idee schon lange Zeitmit sich herum.
Seit Josephine ihm damals eine Pilzsuppe vorgesetzt hatte, die sie aus den lustigen kleinen Schwammerln zubereitet hatte, die so zahlreich auf den Kuhfladen gedeihen. Der Verzehr der Suppe ließ Thomas in eine fremdartige Über-Welt vordringen und eine überschwängliche Freude verspüren, sodass er überzeugt war, er hätte das Paradies erlebt. Als er versuchte, davon etwas seinen Familienmitgliedern mitzuteilen, merkte er alsbald, dass er nicht im Entferntesten Worte fand, die das wiederzugeben vermochten, was er erlebt hatte.
So beschloss er, einen Apparat zu bauen, den er auf direktem Wege mit seinem Geist verbinden wollte, um für die Familie genau dieselben Bilder an die Wand zu projizieren, die er in seinem Innersten sah, wenn er in die Über-Welt reiste.
Traumprojektorgebräu und –destillat
Der Traumprojektor benötigte jedoch einen stärkeren Treibstoff als Josephines Pilzsuppe. Schließlich sollte nicht nur er alleine inandere Räume vordringen. Der Stoffmusste kräftig genug sein, die anderen an seiner Bewusstseinserweiterung teilhaben zu lassen. Es sollte ein Verfahren Anwendung finden, das die Weissenhofer bereits nutzten, um ihr verfaultes Obst zu konservieren. Ein Gebräuaus Kuhfladenpilzen wurde erst zur Gärung gebracht, um es dann zu kochen. Das Destillat war die Essenz, die Thomas Weissenhofer und auch seine Familie auf die Reise schicken sollte. Irgendetwas musste aber schief gelaufen sein, denn Thomas Weissenhofer ist bis zum heutigen Tage nicht von seiner Reise zurückgekehrt. Und alle, die meinten, Unterhaltung und Zerstreuung durch die Bilder zu finden, die der Projektor liefern sollte, sahen sich gleichermaßen getäuscht wie irritiert. Statt der Simulation jener Welt, die Thomas bereist hatte, warf das Gerät mit einem kurzen Aufflackern nur ein einziges, rätselhaftes Bild an die Wand: eine Filmkamera – weiter nichts. So sind die Weissenhofer bis zur heutigen Generation dazu verdammt, ernsthafte, in sich gekehrte Leute zu bleiben, denen in ihrer Arbeit jegliche Unterhaltsamkeit und Freude fremd sind. Übrigens: Hauptmann Thomas Weissenhofer erlangte einige Zeit später noch eine gewisse Berühmtheit.
Ein Sänger, der von seiner Geschichte erfuhr, verfasste darüber ein, in verschleiernde Metaphern gekleidetes, betörend schönes Lied. Es trägt den Titel „Space Oddity“.
Der Weissenhofersche Käfig
Die Gewitter in den Bergen waren besonders heftig. Alois Weissenhofer wollte es zukünftig nicht mehr dem Schicksal überlassen, ob der Weissenhof und mit ihm das Leben von Menschen, Ziegen, Hunden und Vieh durch einen Blitzeinschlag gefährdet wurden. Durch Zufall beobachtete er einmal, wie die Hasen in ihrem Stall einen Blitzeinschlag schadlos überstanden. Er konnte sich das nur so erklären, dass der Blitz vom Drahtgitter, das den Stall vollständig umgab, abgeleitet wurde. Um den Weissenhof vor den tödlichen Blitzen zu bewahren, musste Alois also eine Apparatur konstruieren, die nach dem gleichen Prinzip funktionierte wie der Hasenkäfig.
Die Versuche mit dem Weissenhoferschen Käfig wurden eingestellt, als ein Experiment am lebenden Objekt nicht so erfolgreich ausging, wie er es erwartet hatte. Man konnte sich nie erklären, aus welchem Grund das Experiment gescheitert war.
Zumal ein anderer, nachdem er die Erfindung von Alois Weissenhofer gestohlen und 1836 zum Patent angemeldet hatte, mit dem Käfig reüssierte und in die Wissenschaftsgeschichte einging. Alois Weissenhofer hat später einmal versucht, seine Urheberschaft an der Erfindung nachzuweisen. Er wurde aber als Betrüger bezeichnet. Er starb einige Jahre später, als er während der Feldarbeit von einem Blitz getroffen wurde.
Sphärenklänge
Einmal war es in einer sternenklaren Nacht, als das Vieh schlief und das Hammertrio der Daxenschmiede im Tal seine Arbeit eingestellt hatte, so ruhig, dass Schorsch Weissenhofer meinte, er könne ganz feine, wundersame Harmonien hören, die aus weiter Ferne zu kommen schienen und mit keinem anderen Klang zu vergleichen waren, den er schon einmal vernommen hatte. Es waren keine Laute, die ihren Ursprung auf der Erde haben konnten.
Schorsch ersann eine Theorie, die darauf hinauslief, dass die Bewegungen der Planeten um den Weissenhof diese Klänge erzeugen mussten. Diese Theorie schien sehr einleuchtend. Man konnte ja schließlich auch beobachten, dass die Radlager des Heuwagens eigenwillige Klänge von sich geben, und das umso mehr, wenn man sie längere Zeit nicht richtig geschmiert hatte.
Um seine Theorie beweisen zu können, baute er einen Hörverstärkerapparat, mit dem er die Sphärenklänge deutlicher hören wollte, und der es auch anderen ermöglichen sollte, dieser Musik zu lauschen. Es stellte sich jedoch heraus, dass niemand außer Schorsch die Sphärenklänge hören konnte. Die Leute bezichtigten ihn, ein Lügner zu sein, der sich mit seiner exotischen Theorie nur interessant machen wolle. Heute gehen wir davon aus, dass Schorsch mit großer Wahrscheinlichkeit, aufgrund der ständigen Überlastung durch die harte Arbeit in der Berglandwirtschaft, Ohrensausen bekommen hatte. Das war aber zum Glück nicht sonderlich gravierend und nur wahrnehmbar, wenn es besonders still war.
Die Formel für die Quintessenz
Was die Welt im Innersten zusammenhält, wollte Heinrich Weissenhofer mit seinen Versuchen herausfinden. Doch ging es ihm weniger darum, seinen Erkenntnisdrang zu befriedigen oder zweckfrei sein Wissen zu mehren. Nein, das eigentliche Anliegen seiner Forschung war es, aus der Welt einen besseren Ort zu machen.
Hier die Aufzeichnungen aus Heinrich Weissenhofers Labortagebuch: „Alles hängt mit allem zusammen. Alles lässt sich in alles verwandeln. Nichts lässt sich in alles verwandeln. Alles lässt sich in nichts verwandeln. Arbeite abgeschieden. Sei verschwiegen. Sei geduldig, aufmerksam und zäh. Arbeite nach einem festen Plan. Benutze nur gläserne oder verglaste Gefäße. Habe nichts mit Prinzen und Adeligen zu tun. Um das Unreine in das Edle zu transformieren und um das Kranke zu heilen, um das vom Diabolus Entzweite zu einen, finde die Quintessenz. Nutze dazu diese Formel …“ Seine Zeitgenossen hielten Heinrich für einen Scharlatan und Betrüger.
Erst heute können wir erkennen, wie viel Wahrheit in seinen Erkenntnissen steckt. Sie zeigt sich an den in unseren Tagen eingetretenen, so nicht erwarteten Folgen der Unternehmungen zeitgenössischer Alchemisten, die ihren Tätigkeitsschwerpunkt mittlerweile in die Finanzwelt verlegt hatten und die Theorien Heinrichs in die Praxis umsetzten. Wenn auch nicht immer in der ursprünglichen Absicht Heinrich Weissenhofers, die Welt zu verbessern.
Igor Weissenhofer, der Pionier der Marktforschung
Mittlerweile quoll der Weissenhof schon über von den unzähligen bemalten Uhrenschildern, den geschnitzten Löffeln und auch den sorgfältig gerahmten Familienfotos. Es fand sich trotz langjähriger Bemühungen, irgendetwas davon zu verkaufen, immer noch niemand, der bereit war, auch nur einen Rappen für die schönen Handarbeiten auszugeben.
Zum Glück erinnerte sich Igor Weissenhoferan das hässliche, alte Urinoir, das Großonkel Urs vor langer Zeit einmal angeschleppt hatte. Und das schlussendlich, in Ermangelung eines Wasseranschlusses, irgendwo ins hinterste Regal verbannt worden war.
Die Familie war heilfroh, als ein Franzose, der sich beim Wandern in den Bergen auf den Weissenhof verirrt hatte, sich bereit erklärte, das unförmige Ding mitzunehmen. Später erfuhr Igor Weissenhofer, dass ihr altes nutzloses Urinoir mittlerweile mit dem Titel "Fontaine" versehen worden und unter dem frei erfundenen Begriff "Readymade" zu einer Ikone der Kunstgeschichte avanciert war. Ein Kunstwerk, für das Museen und Kunstsammler bereit waren, so gut wie jeden Preis zu zahlen. Warum sollte das, was mit dem alten Weissenhofer-Urinoir gelungen war, nicht auch mit den Weissenhofer-Handarbeiten gelingen können, dachte sich Igor.
Ob ein Gegenstand als wertvoll erachtet wurde oder nicht, schien jedenfallsdamit zusammenzuhängen, mit welchem Namen man ihn bezeichnete. Am besten erfand man gleich neue, wohlklingende Begriffe, sodass die Menschen die damit bezeichneten alten Gegenstände mit neuen Augen sehen würden. Und man musste vermitteln, dass jeder in der Lage sei, sich, allein durch den Kauf dieser Gegenstände, hohes Ansehen zu erwerben.
Igor Weissenhofer machte sich sofort an die Arbeit und erfand als Erstes einen neuen Namen für sich selbst:
Iggy Pop. Das klang nach Ruhm und Erfolg.
Dann erfand er neue Bezeichnungen für die Weissenhofer-Handarbeiten. Er ersann eine solche Fülle wohlklingender Namen, dass die Familie sich gar nicht recht entscheiden konnte. Jeder Weissenhofer hatte vollkommen eigene Vorstellungen, die sich nicht mit denen der anderen vertrugen, sodass sich am Ende alle heillos zerstritten. Und das Ergebnis ihres Streits war, dass sie all ihre schönen Handarbeiten in die nächste Gletscherspalte warfen. Iggy war darüber so enttäuscht, dass er beschloss, nach Amerika auszuwandern, um dort sein Glück zu versuchen.
Jakob Weissenhofer erfindet beinahe die E-Gitarre
„Diese verdammten Bären. Gerade in den langen Winternächten kommen sie unserem Hof viel zu nahe. Mona und Lisa, unsere Kälbchen, zittern jedesmal vor Todesangst. Und Mutti gibt nur noch Milch, die bereits geronnen ist, wenn sie aus dem Euter kommt. Nun haben wir auch noch unseren Harras verloren. Der Tapfere hat versucht, uns zu beschützen. Der gierige Braunbär hat nur noch wilder zugebissen, als Harras ihn angebellt hat. Ein ungleicher Kampf, in dem er sich für uns geopfert hat. Nichts kann uns mehr vor den grausamen Bären schützen, selbst vor dem Knallen unserer Gewehre haben sie keinen Respekt mehr. Wir haben nur noch eine allerletzte Chance. Ich muss endlich eine Maschine erfinden, die unendlich viel lauter ist als unsere Gewehre. Eine Maschine, die einen solchen Radau von sich gibt, dass die Bären davon endgültig vertrieben werden.“
Soweit der Tagebucheintrag von Jakob Weissenhofer aus dem Jahre 1968. Die Krachmaschine hatte Erfolg - und verstaubte seither ungenutzt auf dem Heuboden.
Was Jakob Weissenhofer zu der Zeit noch nicht wusste: In Übersee wurde bereits viel früher etwas Vergleichbares erfunden, jedoch nicht als Krachmaschine. Man verkaufte dort in großen Stückzahlen ein infernalisch dröhnendes Musikinstrument, das man E-Gitarre nannte. Als Jakob davon erfuhr, witterte er seine Chance. Er sagte dem Weissenhof Ade und fuhr hinüber nach Amerika. Dort änderte er seinen Vornamen Jakob in Jack, seinen Familiennamen Weissenhofer in White und feiert nun als Rockmusiker große Erfolge.
Das Bestiarium
Dass Andreas Weissenhofer, ein Ururenkel von Albrecht Waisenhofer, weit gereist war, lässt sich aus den spärlich überlieferten Aufzeichnungen nur vage belegen. Bekannt ist allerdings, dass er es, als im Verborgenen arbeitender Tierpräparator, in der Gegend um Ammern im Wallis zu einem zweifelhaften Ruf gebracht hatte, der ihm bis heute anhaftet. Sein seit Generationen in Erbfolge angetretener Broterwerb als Pelzhändler brachte es mit sich, dass er seit jeher Tieren aller Art nachstellte.
In der alten Dorfchronik wird er immer wieder mit dem spurlosen Verschwinden von Vieh aus den umliegenden Höfen in Verbindung gebracht. Auch ist von geheimnisvollem nächtlichem Treiben und der Anlieferung und Abholung von großen hölzernen Truhen die Rede. Zudem beunruhigte ein bestialischer Gestank, der von seinem festungsartigen Anwesen aus die nähere Umgebung verpestete, die Nachbarn der Gemeinde, die von jeher zum Aberglauben neigten. Als in einer Nacht des Jahre 1666 einer der misstrauischen Bergbewohner behauptete, den gehörnten Leibhaftigen in des Weissenhofers Scheune gesehen zu haben, stürmte eine rasch zusammengestellte Bürgerwehr den Hof. Die Kreaturen, die sich in der riesigen Scheune den Blicken boten, konnten nur der Hölle entsprungen sein. Kurzerhand wurde Andreas Weissenhofer an Ort und Stelle von demaufgebrachten Mob gelyncht und um den verfluchten Hof eine Bannmeile gezogen. So wurde das riesige Anwesen seit dieser Nacht nie mehr betreten und fiel in eine Art Dornröschenschlaf.
Erst im Jahre 1916 erfuhr Urs Weissenhofer, ein späterer Nachfahre aus der Linie des Andreas W., von der geheimnisvollen Hinterlassenschaft. Unverzüglich entschloss er sich, das verwahrloste Anwesen zu erwerben. Wie groß mag sein Erstaunen über die wohlpräparierten,absonderlichen Geschöpfe gewesen sein, die er dort vorfand. Als umso großzügiger muss sein Entschluss angesehen werden, der Gemeinde Ammern im Wallistal dieses Bestiarium als Schenkung zu offerieren. Seine einzige Bedingung war es, dass diese einzigartige Sammlung von Kuriositäten aus ihrem Dämmerschlaf erlöst und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte. So kann man bis zum heutigen Tage im hinteren Sitzungssaal des Bürgerhauses zu Ammern im Kanton Wallis diese seltsame Menagerievon Monstren bestaunen. Man muss nur unten, an der Pforte, nach dem Schlüssel fragen.
Die Ideenmaschine
Der nach Amerika ausgewanderte Ruedi Weissenhofer besuchte im Jahre 1925 New York. Er sollte dort für den Verlag Blockhead Press die Veröffentlichung seines Buches „I like America and America likes me“ mit einer Lesung bewerben. Auf einer Soirée des Sammlerpaares Louise und Walter Arensberg wurde er Marcel Duchamp vorgestellt. Ihre spontane gegenseitige Sympathie gründete nicht zuletzt auf einer gemeinsamen Vorliebe für zweckentfremdete Urinoire, und so freundeten sie sich an. Wann immer Ruedi in der Stadtwar, schaute er auf eine Partie Schach in Marcels Atelier in der 67. Straße vorbei und war dort zeitlebens ein gern gesehener Gast.
Es muss bei einem dieser Besuche gewesen sein, dass er über die Schokoladenreibe stolperte, der Duchamp 1914 auf einem seiner letzten gemalten Bilder (Broyeuse de chocolat no. 2, Öl, Faden, Bleistift auf Leinwand, The Philadelphia Museum of Art, Sammlung L. und W. Arensberg) ein Denkmal gesetzt hatte und die seitdem zwischen Schneeschaufeln, Kleiderhaken, Flaschentrocknern und anderem Gerümpel unbeachtet ihr Dasein in einer Ecke des Ateliers fristete.
Über Jahre hinweg tüftelten die beiden nun immer wieder an einer Maschine mit dem Arbeitstitel Le troisième oeil ou la machine auxidées, als deren Herz die Schokoladenreibe diente. Diese Apparatur sollte es dem Künstler ermöglichen, sich, von schöpferischem Ballast vollkommen befreit, seiner Arbeit zu widmen. Besondere Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang eine Zeichnung Duchamps aus dem Jahre 1934 als mögliche Vorstudie: Sex Cylindre (W.A.S.P.), Bleistift auf Papier, Mailand, Sammlung Arturo Schwarz.
Im Jahre 1985 schließlich fand Bob Weissenhofer auf dem Dachboden der Weissenhofer-Ranch in Texas eine verstaubte Pappschachtel mit der Aufschrift "The Third Eye Or The Idea Machine, Marcel Duchamp and Ruedi Weissenhofer, New York City 1941". Dank der detaillierten Gebrauchsanleitung, die der Schachtel beilag, konnte er die Einzelteile des Apparates mühelos zusammenfügen. Er setzte den Helm mit dem dritten Auge auf, schob die Schläuche über die dafür vorgesehenen Muffen und verband diese mit der Schokoladenreibe. In klassischer Denkerpose, die er sich beim Geheimrat Goethe abgeschaut hatte, setzte er sich auf zwei Ulmer Hocker und hatte plötzlich eine Idee.
Die Pilzwiese
Von Tante Theresa Weissenhofer weiß man nicht viel mehr, als dass sie zeitlebens vergeblich auf die Rückkehr ihres Mannes Ruediaus dem fernen Amerika wartete. Dass sie sich das Warten allerdings zu versüßen verstand, davon zeugt ein kleines Büchlein mit dem Titel "Die magische Pilzwiese – schmackhafte Pilzgerichte und deren gar wundersame Wirkung auf die menschlichen Sinne", welches man in ihrem Nachlass fand.
Neugierig geworden, machten sich Bob, Carl und Keith im letzten Spätsommer auf die Suche nach diesem arkadischen Ort. Einen genauen Lageplan fanden sie sauber zusammengefaltet zwischen den letzten Seiten des vergilbten Büchleins. Tief im Walde öffnete sich ihnen eine sonnige Lichtung, auf der, so schien es, alle Arten von Pilzen wuchsen. Sie kosteten mal hier, mal dort, und verbrachten so einen recht unterhaltsamen Nachmittag.
Die Kommune 1969
Cousin Elliot Weissenhofer experimentierte im Jahre 1969 mit neuen Formen des Zusammenlebens. Aber nicht in Haight-Ashbury in San Francisco, nein, Elliot zog in den Norden der USA, in das abgelegene New Hampshire. Er besetzte ein altes, verlassenes Hotel. Nach und nach fanden sich dort alle diejenigen ein, die von der amerikanischen Gesellschaft enttäuscht oder einfach durch die Maschen des bürgerlichen Netzes gefallen waren – Vordenker, Auslaufmodelle, Primaten und Künstler. Eine Handvoll Freaks und Gestrandeter, die zusammen eine gute Zeit haben wollten.
Montagabends gab es so genannte lectures, Vorleseabende im Kaminzimmer, donnerstags kochte man zusammen und freitags trieb man Sport oder hörte Schallplatten. Aber nach einigen Wochen ging man dann doch wieder auseinander. Irgendwie haute das alles nicht so hin, wie Elliot es sich vorgestellt hatte. Es war einfach zu öde. Er kaufte sich daraufhin ein Motorrad und verschwand einige Jahre nach Tibet, später landete er dann als Moderator beim Radio.
Der Energiesammelbehälter
Die Idee und der Versuch Wilhelm Reichs, mithilfe des zu diesem Zweck von ihm entwickelten Orgonakkumulators kosmische Energie dem menschlichen Organismus zuzuführen, faszinierte die drei Weissenhoferbrüder Bob, Carl und Keith schon seit langem. Sie beschlossen, den prinzipiellen Gedanken dieses Experimentes umzukehren und selber Energie zu erzeugen. Diese sollte dann in einen Sammelbehälter fließen und bei Bedarf abgezapft werden können. So einfach die Idee war, so schwer ließ sie sich in die Praxis umsetzen. Das Brüdertrio zog ins Grenzgebiet zwischen Arizona und Utah. Dort gibt es ein Tal, in dem schon die Anasazi-Indianer (die Uralten) vor mehr als 1500 Jahren Energieströme zum Fließen gebracht hatten, indem sie ihre Felshöhlenbehausungen mit magischen Zeichen versahen. Heutzutage fließen eher Ströme von Touristen durch selbiges Tal hindurch.
Dort installierten Bob, Carl und Keith ihre Energieproduktionshäuschen, in die sie sich für drei Tage und Nächte zurückziehen wollten. Carls Häuschen war ein im Maßstab etwas kleinerer Nachbau jener fliegenden Untertasse, die Madeleine Rodeffer im Beiseinvon George Adamski am 26. Februar 1965 in einem Vorort von Washington, D.C. sichtete. Bob zimmerte sich einen schrankähnlichen Kasten mit Sitzgelegenheit, dessen Inneres er sorgfältig mit dünnem Kupferblech auskleidete, welches er normalerweise für seine Radierungen benutzte. Und Keith bestellte sich im Versandhandel ein finnisches Klohäuschen. Ein ebensolches hatte ervor etlichen Jahren auf einem Wanderurlaub in Lappland schätzen gelernt.
Die Tage waren glühend heiß und die Nächte bitterkalt und die drei überlebten dieses Experiment nur, weil sie in der dritten Nacht von einem alten Navajo-Indianer, der auf seinem Peyote-Trip zufällig vorbeigeflogen kam, vor dem Verdursten gerettet wurden. Völlig entkräftet soffen sie den Sammelbehälter leer und verschrotteten danach den ganzen Plunder.
Indoor Gemüseanbau
Als 1982 die Weissenhofer-Ranch in Texas errichtet wurde, umfasste das Anwesen neben dem Wohnhaus, den großzügigen Atelierräumen und der Scheune für musikalische Proben auch einen kleinen Gemüsegarten. Mutter Josefa wollte ihre geliebte Familie gut ernährt wissen und misstraute dem Sortiment an Obst und Gemüse aus den riesigen Supermärkten der näheren Umgebung. Tatsächlich befand sich der nächste Supermarkt eine gute Tagesreise mit dem Auto entfernt. So steckte Josefa all ihr gärtnerisches Geschick und vor allem ihre Kraft in den kleinen Garten, den sie hinter dem Wohnhaus bewirtschaftete. Gurken, Kürbisse, Spargel, Melonen, Auberginen, Zucchini, Paprika, Karotten und Kartoffeln gediehen gar prächtig unter der barmherzigen Sonne des mittleren Westens. Allerdings wurde das liebe Mütterchen älter und die Arbeit ging ihr nicht mehr so leicht von der Hand wie früher.
Zu Josefas siebzigstem Geburtstag dachten die drei Brüder und treusorgenden Söhne, Bob, Carl und Keith über ein besonderes Geschenk für ihre Mutter nach. Eine Gemüsezucht in den eigenen vier Wänden. Unabhängig von Wind, Wetter und den Jahreszeiten sollten die Feldfrüchte gedeihen und obendrein leicht zu ernten sein. Die Idee des Indoor Gemüseanbaus war geboren. Schnell war der große Keller unter der Stube leergeräumt. Alle Arten von Behältnissen, die sich in Haus und Hof fanden, wurden zu Beeten umfunktioniert und mit feinster texanischer Erde gefüllt. Als ausgeklügeltes Bewässerungssystem musste die alte Blechgießkanne herhalten. Licht spendeten einige 500 Watt Strahler, die zuletzt den triumphalen Gig der drei im Armadillo World Headquarter in Austin, Texas illuminiert hatten. Zu guter Letzt musste noch eine geeignete Wandbemalung her, die das Wachstum der Pflanzen stimulieren sollte. Hierfür konnten sie ihre alte Freundin Bridget für einen Entwurf gewinnen. Die Ausführung übernahmen die Brüder selbst.
Nachdem alles gut eingerichtet war, erfolgte die Aussaat, selbstverständlich unter Berücksichtigung der Konstellationen des Mondes und der Gestirne. Manchmal ereignen sich dann Dinge, die man mit dem gewöhnlichen Verstand nicht erklären kann. Jedenfalls geschah es, dass in einem feuchten Keller mitten in Texas, von grellem Kunstlicht beschienen, die reifsten, prallsten und wohlschmeckendsten Früchte in erdgefüllten Schachteln, Kisten, Eimern und anderen Behältnissen wuchsen. Josefa war überwältigt und Bob, Carl und Keith ein wenig irritiert.
Der Experimentiertisch
Es ist Vollmond. Wir schreiben das Jahr 1990. Es ist die Nacht, in der die drei Brüder Bob, Carl und Keith beschlossen haben, einen Wettstreit auszutragen. Sie wollen es wissen. Den Wettstreit über das erste gelungene Experiment. Wer gewinnt, muss morgen früh Brötchen holen, und der nächste Bäckerladen, der ist weit, fast so weit wie der nächste Supermarkt. Keith, ein begnadeter Gitarrist und sensibler Musiker, forschte schon seit langem nach dem Beweis für die Urgitarre, jene sagenumwobene erste Gitarre, die Mutter aller Gitarren. Bei seinen Recherchen stieß er auf eine Bauanleitung eines gewissen Johann Hendricks Wittehus aus den Niederlanden. Dieser fertigte aus einigen handgeschmiedeten Nägeln, ein paar Metern Draht, einer Baumscheibe (Weide, mindestens 60 Jahre alt) und einem Holzbrett so etwas ähnliches wie ein Saiteninstrument. 1670, also genau 300 Jahre bevoreiner seiner Nachfahren, der amerikanische Elektrogitarrenguru Jimi Hendrix eines seiner letzten Live-Konzerte auf dem Isle of Wight Festival gab, stellte Johann sein Instrument auf dem Marktplatz von Leiden vor.
Carl hingegen stieß auf ein altes Buch aus dem Nachlass von Gotthelf Weissenhofer. Gotthelf, als alter Monte Verità Veteran in spiritueller Lebensführung geübt, machte in den Jahren zwischen 1914 und 1919 die Bekanntschaft mit dem Lebemann und Altmeister des Okkultismus Aleister Crowley. Crowley weihte Gotthelf in die umstrittenen Geheimnisse der Alchemie und der übersinnlichen Phänomene ein. Er entführte ihn in die Welt hinter der Welt. Dort schrieben sie gemeinsam dieses Buch, in Geheimschrift. Es berichtet dem kundigen Leser von den vergeblichen Bemühungen, tote Materie zum Leben zu erwecken. Carl versuchte daraufhin, seinen alten Kinderstoffpuppen Leben einzuhauchen.
Bob schließlich verfolgte seit langem unerschütterlich seine Vision, bisher unbekannte alternative Energiequellen zu entdecken. Als Patin für dieses Experiment ist Mutter Josefas Mutter Rosa zu nennen. Zweifellos war es Rosa, die ihrer Tochter Josefa den so genannten grünen Daumen vererbte. Sie hatte ein tiefes Wissen über Pflanzen jeglicher Art. Detailliert und anschaulich schrieb sie all ihre Erkenntnissenieder. Ausgehend von diesen Aufzeichnungen versuchte Bob zu beweisen, dass man mit gewöhnlichem Gemüse Strom erzeugen kann. Welches Experiment gelang und wer somit den Wettstreit gewann, darüber schweigen sich die Brüder bis heute aus.